Plat.Pol.560d-561e Protokoll zum 02.06.2024
Zeit: 10:00 - 12:10 Uhr - Ort: online
anwesend: Holger, Walter, Friedrich
Vorweg zu den Eleusinien ...
Pausanias 1.38.6
Ἐλευσινίοις δὲ ἔστι μὲν Τριπτολέμου ναός, ἔστι δὲ Προπυλαίας Ἀρτέμιδος καὶ Ποσειδῶνος Πατρός, φρέαρ τε καλούμενον Καλλίχορον, ἔνθα πρῶτον Ἐλευσινίων αἱ γυναῖκες χορὸν ἔστησαν καὶ ᾖσαν ἐς τὴν θεόν.
aus Phaidros 249
[ἡ τοῦ φιλοσόφου ψυχὴ] πρὸς γὰρ ἐκείνοις ἀεί ἐστιν μνήμῃ κατὰ δύναμιν, πρὸς οἷσπερ θεὸς ὢν θεῖός ἐστιν. τοῖς δὲ δὴ τοιούτοις ἀνὴρ ὑπομνήμασιν ὀρθῶς χρώμενος, τελέους ἀεὶ τελετὰς τελούμενος, τέλεος ὄντως μόνος γίγνεται·
Triptolemos, von Demeter (ganz rechts) mit dem Wagen beschenkt und beauftragt, die Menschen den Ackerbau zu lehren, links vor ihm Persephone.
... und zum Iterativ:
καὶ ἐὰν παρ᾽ οἰκείων τις βοήθεια τῷ φειδωλῷ αὐτοῦ τῆς ψυχῆς ἀφικνῆται, οἱ λόγοι ἐκεῖνοι οὐ αὐτὴν τὴν συμμαχίαν παριᾶσιν
„Und immer wenn von den Verwandten irgendeine Hilfe für das Sparsame seiner Seele kommt, lassen jene Lehren die Hilfstruppe selbst nicht zu.“
Der Konjunktiv im Iterativsatz wird im Dt. zum Indikativ! s. Sy12_Die Modi1
Übersetzung:
Ich bemühe mich, die Reihenfolge der Wörter im Dt. möglichst genau nachzubilden, selbst wenn es auf Kosten eines flüssig lesbaren Dt. geht. Nur wenn eine größere Umstellung aufgrund der dt. Satzbauregeln (z.B.: finites Verb an zweiter Satzgliedstelle im HS und an letzter Stelle im NS) unvermeidlich ist, kennzeichne ich dies mit `hierhin eingesetzt´ und ´` hier weggenommen. Außerdem setze ich unterschiedliche Klammern bei <Hinzufügungen> und [Streichungen], erspare mir das aber bei im Dt. überschüssigen, im Gr. häufigen Ausdrücken wie μέν ... δέ und καί - καί oder ...τε καί. Erläuterungen setze ich in runde Klammern, und zwar steht vor dem übersetzten Wort (die wörtlicheÜbersetzung), nach dem übersetzten Ausdruck (eine Erläuterung), z.B. (Beiordn.). Das Ganze dient dem genauen Verständnis des gr. Textes. Eine flüssig lesbare Übersetzung wäre erst danach möglich.
τούτων δέ γέ που κενώσαντες καὶ καθήραντες τὴν τοῦ [560e] κατεχομένου τε ὑπ᾽ αὐτῶν καὶ τελουμένου ψυχὴν μεγάλοισι τέλεσι, τὸ μετὰ τοῦτο ἤδη ὕβριν καὶ ἀναρχίαν καὶ ἀσωτίαν καὶ ἀναίδειαν λαμπρὰς μετὰ πολλοῦ χοροῦ κατάγουσιν ἐστεφανωμένας, ἐγκωμιάζοντες καὶ ὑποκοριζόμενοι, ὕβριν μὲν εὐπαιδευσίαν καλοῦντες, ἀναρχίαν δὲ ἐλευθερίαν, ἀσωτίαν [561a] δὲ μεγαλοπρέπειαν, ἀναίδειαν δὲ ἀνδρείαν. ἆρ᾽ οὐχ οὕτω πως, ἦν δ᾽ ἐγώ, νέος ὢν μεταβάλλει ἐκ τοῦ ἐν ἀναγκαίοις ἐπιθυμίαις τρεφομένου τὴν τῶν μὴ ἀναγκαίων καὶ ἀνωφελῶν ἡδονῶν ἐλευθέρωσίν τε καὶ ἄνεσιν; | Wenn sie aber von diesen geleert und gereinigt haben die Seele des von ihnen Eingenommenen und <des> mit den großen Weihen Geweihten, `führen sie´ nun danach Überheblichkeit, Anarchie, Schwelgerei und Unverschämtheit leuchtend mit viel Chorgesang ´` als bekränzte wieder ein, lobpreisend und schöntuend, indem sie Überheblichkeit Wohlerzo-genheit nennen und Anarchie Freiheit, Schwelgerei Großmut und Unverschämtheit Tapferkeit. `Schafft er´ nicht so irgendwie, sagte ich, in seiner Jugend `sich verändernd´ (2fache Übersetzung des anakoluthisch gebrauchten μεταβάλλει) ´` aus dem (in) mit notwendigen Bedürfnissen Aufgewachsenen die Befreiung und Erlaubnis der nicht notwendigen und unnützen Lüste. |
καὶ μάλα γ᾽, ἦ δ᾽ ὅς, ἐναργῶς. | Und zwar, sagte er, sehr deutlich. |
Ζῇ δὴ οἶμαι μετὰ ταῦτα ὁ τοιοῦτος οὐδὲν μᾶλλον εἰς ἀναγκαίους ἢ μὴ ἀναγκαίους ἡδονὰς ἀναλίσκων καὶ χρήματα καὶ πόνους καὶ διατριβάς· ἀλλ᾽ ἐὰν εὐτυχὴς ᾖ καὶ μὴ πέρα ἐκβακχευθῇ, ἀλλά τι καὶ πρεσβύτερος γενόμενος τοῦ πολλοῦ [561b] θορύβου παρελθόντος μέρη τε καταδέξηται τῶν ἐκπεσόντων καὶ τοῖς ἐπεισελθοῦσι μὴ ὅλον ἑαυτὸν ἐνδῷ, εἰς ἴσον δή τι καταστήσας τὰς ἡδονὰς διάγει, τῇ παραπιπτούσῃ ἀεὶ ὥσπερ λαχούσῃ τὴν ἑαυτοῦ ἀρχὴν παραδιδοὺς ἕως ἂν πληρωθῇ, καὶ αὖθις ἄλλῃ, οὐδεμίαν ἀτιμάζων ἀλλ᾽ ἐξ ἴσου τρέφων. | In seinem Leben also, glaube ich, `wendet´ danach der Derartige durchaus nicht mehr für notwendige als für unnötige Lüste sowohl Geld als auch Mühen und Zeit[vertreib] auf; aber wenn er Glück hat und nicht übermäßig in den Rausch gezogen wurde, sondern <wenn er> auch etwas älter geworden, nachdem die starke <pubertäre> Unruhe sich gelegt hat, Teile der vertriebenen <Bedürfnisse> wieder aufnimmt und den hinzugekommenen nicht ganz sich hingibt, dann ´` stellt er dauerhaft (Dominanzumkehrung) die Lüste ´in ein gewisses Gleichgewicht`, indem er der jeweils wie durch Los bestimmt einfallenden <Lust> die Herrschaft über sich übergibt, bis sie befriedigt ist, und <dann> wiederum einer anderen und so (Beiordn.) keine missachtet, sondern sie gleichermaßen (ernährt) bedient. |
πάνυ μὲν οὖν. | Gewiss doch. |
καὶ λόγον γε, ἦν δ᾽ ἐγώ, ἀληθῆ οὐ προσδεχόμενος οὐδὲ παριεὶς εἰς τὸ φρούριον, ἐάν τις λέγῃ ὡς αἱ μέν εἰσι τῶν [561c] καλῶν τε καὶ ἀγαθῶν ἐπιθυμιῶν ἡδοναί, αἱ δὲ τῶν πονηρῶν, καὶ τὰς μὲν χρὴ ἐπιτηδεύειν καὶ τιμᾶν, τὰς δὲ κολάζειν τε καὶ δουλοῦσθαι· ἀλλ᾽ ἐν πᾶσι τούτοις ἀνανεύει τε καὶ ὁμοίας φησὶν ἁπάσας εἶναι καὶ τιμητέας ἐξ ἴσου. | Und indem er (Forts.des Vorherigen), sagte ich, eine wahre Ansprache nicht annimmt und in seine Festung nicht einlässt, wenn einer sagt, dass die einen Lüste zu den schönen und guten Bedürfnissen gehören, die anderen zu den schlechten und dass man die einen betreiben und achten muss, die anderen aber zügeln und beherrschen; aber bei all diesem winkt er ab und behauptet, dass alle gleich und gleichermaßen zu achten seien. |
σφόδρα γάρ, ἔφη, οὕτω διακείμενος τοῦτο δρᾷ. | Ja sicherlich, sagte er, mit dieser Einstellung macht er das. |
οὐκοῦν, ἦν δ᾽ ἐγώ, καὶ διαζῇ τὸ καθ᾽ ἡμέραν οὕτω χαριζόμενος τῇ προσπιπτούσῃ ἐπιθυμίᾳ, τοτὲ μὲν μεθύων καὶ καταυλούμενος, αὖθις δὲ ὑδροποτῶν καὶ κατισχναινόμενος, [561d] τοτὲ δ᾽ αὖ γυμναζόμενος, ἔστιν δ᾽ ὅτε ἀργῶν καὶ πάντων ἀμελῶν, τοτὲ δ᾽ ὡς ἐν φιλοσοφίᾳ διατρίβων. πολλάκις δὲ πολιτεύεται, καὶ ἀναπηδῶν ὅτι ἂν τύχῃ[1] λέγει τε καὶ πράττει· κἄν ποτέ τινας πολεμικοὺς ζηλώσῃ, ταύτῃ φέρεται, ἢ χρηματιστικούς, ἐπὶ τοῦτ᾽ αὖ. καὶ οὔτε τις τάξις οὔτε ἀνάγκη ἔπεστιν αὐτοῦ τῷ βίῳ, ἀλλ᾽ ἡδύν τε δὴ καὶ ἐλευθέριον καὶ μακάριον καλῶν τὸν βίον τοῦτον χρῆται αὐτῷ διὰ παντός. [561e] | Also, sagte ich, treibt er es täglich auf diese Weise, indem er dem einfallenden Bedürfnis (freundlich gesinnt ist) nachkommt, einmal betrunken und von Flötenspiel betäubt, aber andererseits Wasser trinkend und sich schlank hungernd, ein andermal wiederum sich sportlich übend, aber manchmal faul und gleichgültig gegenüber allem, und manchmal wie wenn mit Philosophie beschäftigt. Und oft ist er politisch tätig, und aufspringend sagt und macht er, was gerade anliegt; und wenn er einmal an den Kriegsliebenden Gefallen findet, eilt er dorthin, oder <wenn> an den Erwerbliebenden, <eilt er> wiederum dahin. Und ´es liegt` weder irgendeine Ordnung noch Notwendigkeit ´` auf seinem Leben, vielmehr nennt er (Beiordn.) das Leben angenehm, frei und glücklich und genießt es durchaus. |
παντάπασιν, ἦ δ᾽ ὅς, διελήλυθας βίον ἰσονομικοῦ τινος ἀνδρός. | Vollständig, sagte er, hast du das Leben eines „rechtsgleichen“ Mannes beschrieben. |
οἶμαι δέ γε, ἦν δ᾽ ἐγώ, καὶ παντοδαπόν τε καὶ πλείστων ἠθῶν μεστόν, καὶ τὸν καλόν τε καὶ ποικίλον, ὥσπερ ἐκείνην τὴν πόλιν[2], τοῦτον τὸν ἄνδρα εἶναι· ὃν πολλοὶ ἂν καὶ πολλαὶ ζηλώσειαν τοῦ βίου, παραδείγματα πολιτειῶν τε καὶ τρόπων πλεῖστα ἐν αὐτῷ ἔχοντα. | Ich glaube ja, sagte ich, dass <er> vielfältig und von den meisten Lüsten voll <ist>, und wie jener Staat sei dieser schöne und bunte Mann, den wohl viele Männer und Frauen um sein Leben beneiden dürften, weil er sehr viele Beispiele von Verfassungen und Charakteren in ihm (seinem Leben) (hat) mit sich führt. |
οὗτος γάρ, ἔφη, ἔστιν. [562a] | (Als dieser, sagte er, existiert er) So ist er, sagte er. |
Auffälligkeiten:
Holger betont, dass auch in diesem Abschnitt die Bildhaftigkeit der Sprache zu bewundern ist, mit dem großartig ausgeschmückten ironischen Bild des von den Lüsten in geradezu eleusinischer Manier Geweihten und dem Rausch des Bakchos Verfallenen sowie erneut mit dem Bild von der inneren Burg, die von den falschen Instanzen besetzt ist.
- In diesem Punkt zieht Walter einen Vergleich zu den drei Seeleninstanzen bei Freud: Die Königsburg der Seele erinnert an das umkämpfte Überich.
- Friedrich meint, dass Platon die Beliebtheit der Demokratie bei Männern und Frauen (letztere sind allerdings oben schon mit ihrer kindlichen Liebe zum Bunten kritisch angeführt worden) mit einem gewissen Verständnis und hier wenigstens ohne scharfen Unterton darstellt, wenn der „Demokrat“ sein Leben als angenehm, frei, und glückhaft darstellt, das allerdings ohne Ordnung und Notwendigkeit ist.
- Wir wollen beim nächsten Treffen über diese Bewertung der Demokratie noch einmal sprechen,
zumal auch der noch folgende Text dazu Anlaß gibt.