p07 Protokoll zum 15.05.2021

Zeit: 15:00 - 17:10 Uhr
anwesend: Caren, Ulf, Dimos, Friedrich

Ich bot an, vor dem Übergang zu Xenophons Darstellung der Seeschlacht bei den Arginusen und den anschließenden Prozess in Athen uns eine Sitzung lang mit epischer Dichtung zu befasssen, dies auch, damit wir Stoff zum Auswendiglernen bekämen.

Ich hatte dazu die ersten beiden Zeilen des homerischen Aphrodite-Hymnus (7. Jahrhundert) zum Übersetzen vorbereitet und kündgte als nächsten Text weitere Zeilen aus diesem Hymnus an. Ich werde das in den nächsten Tagen zusammen mit einer Audio-Datei hochladen.

Ulf wies auf Harald Haarmanns bei H. C. Beck erschienenes Buch "Auf den Spuren der Inoeuropäer" hin, in dem einiges zur Entstehung des Hexámeters nachzulsen sei. In der nächsten Sitzung mehr dazu.

Wir übersetzten dann den Schluss der διήγησις aus Lysias' Rede im Mordfall Eratosthenes. Wir stellten fest, dass der Logograph den angeklagten Bauern Euphiletos, der anfangs mehrfach auf seine Unbedarftheit und Leichtgläubigkeit hingewiesen hatte, nun sehr geschickt die Vorgänge der Nacht der Bluttat so darstellen lässt, dass diese sofort vom Gesetz gedeckt erscheint und die Aussagen der Entlastungszeugen für einen Totschlag ἐπ' αὐτοφώρῳ aufs Genauste vorbereitet werden. Es könne  keine Rede davon sein, dass er den Ehebrecher von der Straße oder gar vom Asyl bietenden Herd weggezerrt habe, wie die Ankläger behauptet hätten.

Wir sind dann leider nicht mehr dazu gekommen, die Rolle der Ehefrau zu betrachten, die anfangs zwar als gute (= gehorsame) Hausfrau dargestellt wird, aber doch immer nur Objekt der Handlungen der Männer ist. Selbst dass sie zusammen mit der Mutter ihres Liebhabers am Epiphorien-Fest teilnimmt, scheint doch auf dessen Veranlassung hin zu geschehen. Es sei nachgetragen, dass auch im Fortgange der Argumentation des Angeklagten die Frau und ihre Einstellung zur Sache keine Rolle spielen, nicht einmal als Zeugin ist sie vorgesehen. Kein Wunder, weil Frauen keine mündigen Bürger waren, sondern in der Gewalt des Vaters oder des Ehemannes standen. Selbst das beliebte Entlastungsklischee, die Frau habe doch innerhalb des Hauses durchaus das Sagen gehabt, wird von der Rede bedient mit der kleinen Episode, in der die Frau unter dem Schein des Scherzes dem Mann die Tür zum Frauen-Schlafzimmer vor der Nase zuschlägt und verschließt.

Wieder beachteten wir rhetorische Figuren im Text:
das Hyperbaton, z. B. ἐγὼ ὑμῖν τεκμηρίοις ἐπιδείξω: ὑμῖν tritt zwischen μεγάλοις und τεκμηρίοις.
und die figura ethymologica: τοιοῦτον ἁμάρτημα ἐξαμαρτάνειν.

Grammatisch wurden wir auf den ACP aufmerksam, der im Griechischen vorzüglich in den Fällen  steht, in denen auch die dt. Sprache den AcI kennt:
εἴδομεν αὐτὸν κατακείμενον παρὰ τῇ γυναικί - Wir sahen ihn (Subj.Akk) bei der Frau liegen (Präd.Inf.).

Etwas mehr Schwierigkeiten bereitete die relativische Verschränkung, hier mit dem AcI im Relativsatz:
ἐκεῖνος τούτων ἔτυχεν ὧνπερ οἱ νόμοι κελεύουσι τοὺς [...] πράττοντας <τυγχάνειν>.
Rohübersetzug: Jener erhielt das, was die Gesetze befehlen, dass die Täter es <erhalten>.
Das Relativpronomen hat zweierlei Funktionen:
- es leitet erstens den Relativsatz mit dem Prädikat κελεύουσι ein ("was")
- und ist zweitens Akk.Objekt des untergeordneten AcI. ("es").
Dementsprechend wird es in der Rohübersetzung zweimal übersetzt.
Für die Feinübersetzung bietet es sich an, dass wir den untergeordneten AcI zum eigentlichen Relativsatz machen, den Präd.Inf. also zu dessen wirklichem Prädikat ("was die Täter erhalten"), und ihm das übergeordnete (dominante) κελεύουσι unterordnen. Ich nenne das Dominanzvertauschung: s. Sy15.
Jener erhielt das, was die Täter erhalten <sollen>, wie die Gesetze es befehlen. Die Unterordnung wird hier durch einen Modalsatz hergestellt. In unserem Falle wäre auch ein präpositionaler Ausdruck möglich: "nach dem Befehl der Gesetze" oder vielleicht auch eine Beiordnung: "so befehlen es die Gesetze".

Nächste Sitzung: Sa, 29.05., 17:00 Uhr - Wir lassen also den Samstag vor Pfingsten aus.

Zur Vorbereitung werde ich - wie besprochen - einen Ausschnitt aus dem homerischen Aphrodite-Hymnus als p08 in die Homepage hochladen, vielleicht noch heute.  

Den bereits vorbereiteten Xenophontext habe ich nun nach p09 verschoben. Wer Lust hat, mag sich da schon einmal mit den Vokabeln beschäftigen. Auch habe ich ein paar Verlinkungen zu Wikipädia hergestellt.
Auch geht bei Xenophon nichts ohne Zahlen. Daher meine dringende bitte, schon einmal im voraus mit den Zahlen und dem Zählen-Können zu beginnen; s. DN Numeralia.

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FH