pDem1.25-28 Protokoll zum 21.08.2022
Zeit: 10-12:00 Uhr Ort: online
anwesend: Caren, Holger, Friedrich – Wir wünschen Ulf gute Besserung
[25] ἔτι τοίνυν, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, μηδὲ τοῦθ᾽ ὑμᾶς λανθανέτω, ὅτι νῦν αἵρεσίς ἐστιν ὑμῖν πότερ᾽ ὑμᾶς ἐκεῖ χρὴ πολεμεῖν ἢ παρ᾽ ὑμῖν ἐκεῖνον. ἐὰν μὲν γὰρ ἀντέχῃ τὰ τῶν Ὀλυνθίων[1], ὑμεῖς ἐκεῖ πολεμήσετε καὶ τὴν[2] ἐκείνου κακῶς ποιήσετε, τὴν ὑπάρχουσαν καὶ τὴν οἰκείαν ταύτην ἀδεῶς καρπούμενοι· ἂν δ᾽ ἐκεῖνα Φίλιππος λάβῃ, τίς αὐτὸν κωλύσει δεῦρο βαδίζειν; Θηβαῖοι; | Ferner also, Athener, überseht das nicht, dass ihr jetzt die Wahl habt, ob ihr dort Krieg führen müsst oder jener bei euch. Wenn nämlich die Olynthier Widerstand leisten, werdet ihr dort kämpfen und sein Land verheeren, wenn aber Philipp jene <Stadt> einnimmt, wer wird ihn hindern hierher zu kommen? Die Thebaner? |
[26] μὴ[3] λίαν πικρὸν εἰπεῖν ᾖ— καὶ συνεισβαλοῦσιν ἑτοίμως. ἀλλὰ Φωκεῖς; οἱ τὴν οἰκείαν οὐχ οἷοί τε ὄντες φυλάττειν, ἐὰν μὴ βοηθήσηθ᾽ ὑμεῖς. ἢ ἄλλος τις; ἀλλ᾽, ὦ τᾶν, οὐχὶ βουλήσεται. τῶν ἀτοπωτάτων μέντἂν εἴη, εἰ ἃ νῦν ἄνοιαν ὀφλισκάνων ὅμως ἐκλαλεῖ, ταῦτα δυνηθεὶς μὴ πράξει. | [26] Wäre es nicht allzu bitter, <das> zusagen: Sie werden bereitwillig mit einfallen. Aber, mein Lieber, er wird nicht |kommen| wollen. Zum Unsinnigsten dürfte das freilich gehören, wenn er, was er jetzt auf die Gefahr hin, für dumm gehalten zu werden, verbreitet, nicht tun wird, obwohl er es kann |
[27] ἀλλὰ μὴν ἡλίκα γ᾽ ἐστὶν τὰ διάφορ᾽ ἐνθάδ᾽ ἢ ἐκεῖ πολεμεῖν, εἰ γὰρ ὑμᾶς δεήσειεν αὐτοὺς τριάκονθ᾽ ἡμέρας μόνας ἔξω γενέσθαι, καὶ ὅσ᾽[4] ἀνάγκη στρατοπέδῳ χρωμένους τῶν ἐκ τῆς χώρας λαμβάνειν, μηδενὸς ὄντος ἐν αὐτῇ πολεμίου λέγω, πλείον᾽ ἂν οἶμαι ζημιωθῆναι τοὺς γεωργοῦντας ὑμῶν ἢ ὅσ᾽ εἰς ἅπαντα τὸν πρὸ τοῦ πόλεμον δεδαπάνησθε. εἰ δὲ δὴ πόλεμός τις ἥξει, πόσα χρὴ νομίσαι ζημιώσεσθαι; καὶ πρόσεσθ᾽ ἡ ὕβρις καὶ ἔθ᾽ ἡ τῶν πραγμάτων αἰσχύνη, οὐδεμιᾶς ἐλάττων ζημίας τοῖς γε σώφροσιν. | Aber wie groß nun tatsächlich der Unterschied ist, hier oder dort Krieg zu führen, Müsstet ihr nämlich nur dreißig Tage sebst draußen sein, ohne dass ein Feind in ihm ist, sage ich, als was ihr für den ganzen vorherigen Krieg aufgebracht habt. Aber wenn nun ein Krieg <hierher> kommt, wieviel Schaden zu erleiden muss man dann annehmen. Und hinzu kommt der Übermut <des Feindes> und zudem die Schande des Geschehenen, die für die Anständigen jedenfalls nicht geringer ist, als sonst ein Schaden. |
[28] πάντα δὴ ταῦτα δεῖ συνιδόντας ἅπαντας βοηθεῖν καὶ ἀπωθεῖν ἐκεῖσε τὸν πόλεμον, τοὺς μὲν εὐπόρους, ἵν᾽ ὑπὲρ τῶν πολλῶν ὧν καλῶς ποιοῦντες ἔχουσι μίκρ᾽ ἀναλίσκοντες τὰ λοιπὰ καρπῶνται ἀδεῶς, τοὺς δ᾽ ἐν ἡλικίᾳ, ἵνα τὴν τοῦ πολεμεῖν ἐμπειρίαν ἐν τῇ Φιλίππου χώρᾳ κτησάμενοι φοβεροὶ φύλακες τῆς οἰκείας ἀκεραίου γένωνται, τοὺς δὲ λέγοντας, ἵν᾽ αἱ τῶν πεπολιτευμένων αὐτοῖς εὔθυναι ῥᾴδιαι γένωνται, ὡς ὁποῖ᾽ ἄττ᾽ ἂν ὑμᾶς περιστῇ τὰ πράγματα,
χρηστὰ δ᾽ εἴη παντὸς εἵνεκα. | Wenn [ihr] nun dies alles einseht, müsst ihr bei geringem Aufwand den Rest furchtlos genießen, abschreckende Wächter des eigenen unversehrten Landes werden, und die Redner, damit <ihnen> die Rechenschaft für ihre Amtsführung leicht wird, Mögen sie um eines jeden willen gut sein! |
Genauer wurde besprochen:
[26] ὅμως „gleichwohl > dennoch“ (von ὁμός „derselbe“) ≠ ὁμοίως „auf gleich Weise, gemeinsam“ (von ὁμοῖος „gleich, ähnlich, gemeinsam“
[27] πρὸ τοῦ (vom Demonstrativum ὁ) ≙ πρὸ τούτου „vordem“
[27] αἰσχύνη οὐδεμιᾶς ἐλάττων ζημίας „Scham, die kleiner ist als keine Strafe > Scham, die größer ist als jede Strafe“ - Lange habe wir uns mit der Logik des Ausdrucks herumgequält, bis wir darauf kamen, sie als Litotes aufzufassen; Beispiel nicht klein = sehr groß (Beide Seiten werden ins Gegentel verkehrt: 1. „nicht“ > „sehr“, „klein“ > „groß“.
[28] ὁποῖ’ ἄττα ≙ ὁποῖά τινα „wie beschaffen wohl, was wohl“ (leitet hier einen Indefinitsatz ein)
Zur Erklärung der Form des Indefinitpronomens ἄττα als einer Nebenform zu τινά: Es ist eine Analogiebildung. Vorbild ist die gut verständliche Syntraktion des indefiniten Relativpronomens ἅτινα zu ἅττα. Der Spiritus asper ist Zeichen des Relativums; wenn er zum Spiritus lenis wird, wird das Relativpronomen analog zu einem Indefinitpronomen.
Die Argumentationsstruktur der ganzen 1. olynthischen Rede:
[1] Die Athener sollen vor einer Entscheidung alle Ratschläge bereitwillig anhören. (Captatio benevolentiae)
Der καιρός fordert von Athen, sich auf Krieg und Kriegskosten einzustellen:
[2] Demosthenes‘ Rat: Athenische Truppen und Gesandte nach Olynth schicken.
[3] Der verschlagene und zupackende Philipp
[4] … der als Alleinherrscher überall sein muss, kann aber Olynth nicht durch Verhandlungen gewinnen.
[5] Denn die Olynthier fürchten die Zerstörung der Stadt und trauen ihm nicht (Beipiele Amphipolis, Pydna).
[6] Also müssen die Athener sich jetzt auf Unterstützung Olynths mit Krieg und Kriegskosten einstellen.
Die Gunst der Götter ermöglicht Athen, seine alten Fehler auszubügeln:
[7] Nochmals der καιρός: Die Olynther sind jetzt sichere Bundesgenossen.
[8] Aus Untätigkeit verlor Athen 357 Amphipolis …
[9] und andere Städte, was Philipp groß gemacht hat. Jetzt aber ist der καιρός gekommen.
[10] Ein δίκαιος λογιστής wäre den Göttern für die neue gebotene Chance dankbar.
[11] Wie der bankrotte Verschwender vergessen auch die untätigen Politiker den Dank an die Götter für die
anfangs gute Lage. Aber die Götter gaben Athen noch eine Chance, seinen Ruf der Untätigkeit abzuschütteln.
Während Philipp erfolgreich heranrückt, verspielt Athen seine Vormacht.
[12] Wenn die Athener nicht handeln, wie der tatkräftige Philipp handeln würde, wird er bald gegen Athen vorrücken.
[13] Nach all den siegreichen Feldzügen (Aufzählung Städte) und nach seiner Krankheit greift Philipp nun Olynth an.
[14] Philipp wird bei allen Erfolgen nie mit dem Erreichten zufrieden sein und Ruhe geben..
[15] Athen wird es ergehen wie den verarmten Schuldnern und es wird am Ende Not leiden.
Heere auszurüsten und Finanzen dafür einzusetzen ist nötig.
[16] Demosthenes will seine Meinung ohne Furcht vor dem Demos äußern.
[17] Demosthenes Rat: 1.) Ein Heer zur Unterstützung Olynths und eines zum Angriff auf Makedonien aussenden.
[18] Begründung: So kann sich Philipp nicht auf Olynth konzentrieren.
[19] 2.) Die Kriegskasse aufstocken.
[20] Argumentation: In schwierigen Zeiten ist Verzicht/ sind höhere Beiträge nötig, wie auch immer erhoben.
Philipp ist an verschiedenen Orten mit Schwierigkeiten konfrontiert.
[21] Der Widerstand der Olynthier bringt ihn ungeplant in eine schwierige Lage.
[22] Die Thessalier sind nicht bereit, seine Kriegskasse aufzufüllen.
[23] Die Völker im Norden Makedoniens werden dsich in ihrem Freiheitsdrang Philipp nichct unterwerfen.
[24] Die Athener müssen diese Situation nutzen.
Der Preis für die Vermeidung von Krieg im eigenen Land muss bezahlt werden.
[25] Der Kriegsplan des Demosthenes für Olynth hindert Philipp, nach Athen vorzurücken.
[26] Die Thebaner und die Phoker würden ihn an seinem Vorhaben nicht hindern.
[27] Die Kosten werden noch höher, wenn sie jetzt nicht getragen werden.
[28] Alle gesellschaftlichen Gruppen müssen ihren Beitrag leisten. (Peroratio)
Parallelen zu unserer Gegenwart:
Wie an jedem unserer Termine zu Demosthenes sind wir auch diesmal auf unsere Gegenwart zu sprechen gekommen. Gerade dieser Vergleich macht die Lektüre so interessant. Aber dies Gespräch ins Protokoll aufzunehmen würde dessen Rahmen sprengen.
Nächster Termin: Sonntag, 28.08.2022, 10:00 Uhr.
Wir hoffen, dass Ulf so weit wieder hergestellt ist, dass er seinen geplanten Urlaub antreten kann. Gute Reise!
Vorbereitung zum Sonntag:
Ich habe den pDem9.1-10_Text endlich hochgeladen. Für die Verspssätung bitte ich um Entschuldigung.
Ich habe nun aber die ersten Seiten für einen neuen Einführungskurs hochgeladen. Schwierig so ins Blaue hinein, ohne die Adressaten sich vorstellen zu können. Vielleicht schaut ihr mal rein und sagt mir, ob das so geschickt ist.
[1] τὰ τῶν Ὀλυνθίων = οἱ Ὀλύνθιοι
[2] τὴν erg. χῶραν
[3] μή lies [δέδοικα,] μή ...
[4] ὅσα ... lies ὅσ᾽ ἀνάγκη <ἐστὶ ὑμᾶς> στρατοπέδῳ χρωμένους <λαμβάνειν>